Roger Vanovermeir

Roger wurde am 02.09.1923 in Rubaix (Frankreich) geboren. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war er gerade einmal 16 Jahre alt. Kurz nach der Besetzung der Region Lille durch die deutschen Soldaten, begann er damit im Widerstand mitzuarbeiten. Das Ziel seiner Widerstandsgruppe war es, entflohene Kriegsgefangene, gefährdete Kameraden sowie Jüdinnen und Juden vor dem Zugriff der Gestapo zu retten.

1943 wurde er dann allerdings selbst durch den Sicherheitsdienst in Paris verhaftet und dort vier Monate in einem Gefängnis festgehalten. Im Oktober 1943 wurde er gemeinsam mit 60 mitinhaftierten Männern nach Saarbrücken deportiert. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade einmal 20 Jahre alt.

Schon der Weg vom Saarbrücker Bahnhof zum Lager an der Neuen Bremm zeigte, was ihm in der darauffolgenden Zeit erwarten sollte:

„Als wir in Saarbrücken aneinandergekettet aus dem Waggon kletterten, sahen wir Unmengen Arbeiter und Arbeiterinnen mit dem Abzeichen „Ost“ für Russen und „P“ für Polen. Das machte uns gleich den Unterschied zum besetzen Paris klar. Wir wurden dann in einem Zellenwagen transportiert. Das dauerte etwa eine viertel Stunde. Und als sich die Tür öffnete, waren wir an der Neuen Bremm. Das erste Deutsche Wort, dass ich hörte, war ‚Arschloch‘. Wir mussten eine Kolonne bilden. Auf den 20/25 Metern bis dort hin, wurden wir von den SS-Leuten mit Knüppeln und Stöcken zusammengeschlagen. Nach mehreren Monaten in einer engen Gefängniszelle ist man völlig außer Form. Jetzt wurden wir zu unglaublichen körperlichen Strapazen gezwungen: Entengang, Laufen, hinlegen, aufstehen. Immer wieder rund um den Löschteich. Der war so etwas wie der Mittelpunkt im Lager. Auf dem Transport war ich mit einem deutschen Antifaschisten zusammengekettet. Er wusste viel besser als wir, was uns in der Welt der Konzentrationslager erwarten würde. Und nach nicht einmal 10 Minuten war er tot.“
Roger gehörte zu den sog. Nacht und Nebel-Häftlingen (kurz: N.N.). Das heißt, er wurde im Geheimen aus Frankreich verschleppt. Seine Angehörigen wurden nicht über sein Schicksal informiert, er verschwand quasi in Nacht und Nebel.

Er gehörte damit zu denjenigen Häftlingen, die das Lager nicht verließen und zum „Lagersport“ um den Löschteich gezwungen wurden. Aber das war nicht die einzige Foltermethode. Jeder alltägliche Gang wurde vom Terror der Wachmannschaften begleitet, wie er berichtete:
„Jeden Sonntag war nämlich Duschtag. Die etwa 400 Häftlinge wurden hierzu auf dem Platz rund um das Becken versammelt. Sie waren nackt, im Winter wie im Sommer und den Blicken der Vorübergehenden preisgegeben. In Gruppen zu sechzehn und nachdem sie beim Eintreten in den Raum tüchtig verprügelt worden waren – was auch beim Verlassen des Raumes geschah – duschten die Häftlinge schnell. Dann nahmen sie beim Eintreten in den Raum eines der Handtücher, um sich abzutrocknen und hängten es wieder an den Haken. Sechzehn weitere Gefangene wurden nun aufgerufen. […] Im Waschraum wiederholte sich der Vorgang des Duschens und Abtrocknens bei jeder Gruppe. Rechnen Sie selbst: 16 Handtücher für 400 Häftlinge. Somit mussten sich 25 Häftlinge mit ein und demselben Handtuch abtrocknen. In Wirklichkeit waren diese so schnell durchnässt, dass der Wind die nackten Körper trocknete. Die Häftlinge mussten nämlich nackt im Freien warten bis der letzte Gefangene den Waschraum verlassen hatte. […] Ich sprach eingangs von Hygiene. Wir alle ganz gleich ob krätzig, pickelig oder krank, benutzten die gleichen Tücher. Und der Gipfel der Ironie: Am Ausgang war ein Spiegel angebracht, über einem Brett, auf dem ein Kamm lag. Und wir waren alle kahl geschoren.“
Wie dieser kurze Ausschnitt aus dem Bericht zeigt, kannten die Wachmannschaften bei den Peinigungen der Häftlinge keine Grenzen. Viele der Häftlinge nannten das Lager an der Neuen Bremm deshalb auch die „Hölle von Saarbrücken“.

Roger blieb gerade einmal 11 Tage im Gestapo-Lager Neue Bremm. Der Aufenthalt im Lager sollte ihm aber noch lange im Gedächtnis bleiben:
„Ich glaube, wenn man von der Neuen Bremm kam, konnte man hinkommen, wohin man wollte, es fiel einem immer ein Stein vom Herzen. Es war nirgends so schlimm wie auf der Neuen Bremm.“

Rogers weiteres Schicksal:

Von der „Neuen Bremm“ aus wurde Roger über mehrere kleinere Lager in weitere Konzentrationslager deportiert: nach Buchenwald (Weimar), Majdanek (Lublin/Polen), Natzweiler-Struthof (Frankreich) und schließlich kam er im September 1944 nach Dachau. Dort wurde er Ende April 1945 befreit und konnte 10 Tage später in die Heimat zurückkehren.
Einen ausführlichen Zeitzeugenbericht von Roger Vanovermeir findet ihr auch auf der Website der Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm

 

Verwendete Quellen:
-    Horst Bernard, Neue Bremm. Das Lager. Ehemalige Häftlinge des Gestapolagers Neue Bremm erinnern sich, Saarbrücken 2014, S. 38-56.
-    Ingrid Hessedenz, Neue Bremm – Das vergessene KZ in Saarbrücken. SR-Fernsehfilm 1990.